LOMU Hamburg: soziale Experimente und Aktionen zu Technologie, Kunst, Politik, Gesellschaft, Globalisierung, Regionalisierung, Globalisierungskritik, Schwarmintelligenz, …konomie, Situationismus, Utopie, Stadtentwicklung, UrbanitŠt, Zukunftsvisionen, Futurologie, Trendforschung, Kapitalismuskritik, Web 2.0, Community
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Kommentare zu den Experimenten

Hier sind einige Kommentare zu den Experimenten und zum Konzept der Schwarmintelligenz an sich:


A zum Smart-Mob-Experiment:

Mein Summary:
5% Informationsaustausch
15% Debatte/Rätseln
80% Fahren/Laufen

Größtes Hindernis: Das Handy ist kein Gruppenmedium. Besser: Walkie Talkie.
Zweitgrößtes Hindernis: von A nach B kommen

Erkenntnis für mich: Wenn 1 Person die Initiative ergreift, setzt die sich schnell durch und alle folgen. Da kein Risiko bestand, war das Vertrauen in die jeweilige "Führung" ungebrochen. Bei Entscheidungen mit hohem Risiko wären die Debatten sicher heftiger ausgefallen.


nbo (der am Zielort wartete) zur Schwarmintelligenz:

Natürlich waren das keine experimente, die irgendwelchen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Das Smart-Mob-Experiment war eher eine modernisierte Schnitzeljagd, und bei den beiden anderen Experimenten hätte man noch wesentlich mehr Durchläufe gebraucht.

Aber zwei Dinge finde ich dennoch bemerkenswert:

1) Im Unterschied zu Schwärmen im Tierreich (Insekten, Fische, Vögel) gibt es bei menschlichen Smart Mobs noch eine Reflexionsebene. Die Individuen agieren eben nicht einfach nur, sondern überlegen auch, wieviel Energie sie eigentlich in den Schwarm einbringen wollen.

2) Im Unterschied zu Schwärmen im Tierreich gibt es bei Smart Mobs Individuen, die zu tricksen versuchen. J rief mich z.b. nach einer Stunde oder so an und wollte mir weitere Hinweise entlocken, worauf ich ihn nur auslachte. Bei ak versuchten sie es auch und konnten dort den Hinweis "Wasser" abstauben.
Wie ich nachher hörte, hing der Mob behaglich in der sonne am Pudel und entwickelte ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr sehr viel Energie als Ganzes. Man beauftragte oder verließ sich auf Einzelpersonen, die als Kundschafter "ausschwärmten" - physisch wie H auf dem Fahrrad oder eben informationell über das Handy.

Ich vermute, dass Schwarmverhalten wesentlich von der Zahl der Beteiligten Individuen abhängt. Reflexion und Getrickse funktionieren dann nicht mehr, wenn die Gruppe unüberschaubar groß und abstrakt ist. Und ich teile auch die Auffassung mancher Kritiker des Schwarmintelligenz-Hypes, dass im Prinzip nur bestimmte Entscheidungen möglich sind: ja/nein-Entscheidungen - also Akzeptanz oder Ablehnung von etwas (kaufen/nichtkaufen, regierung stürzen / nicht stürzen) - und Multiple-Choice (welche von 4 Antworten ist richtig?).

Als Politikmodell taugt es nicht, weil ein Schwarm keinen konstruktiven und komplexen Entwurf formulieren kann. Nehmen wir die Gesundheitsreform: Schwarmverhalten könnte man beobachten, wenn die Leute massenhaft den gesetzlichen Krankenkassen davonlaufen würden, weil sie an das Solidarsystem nicht mehr glauben. Aber es wäre wie in einem Fischschwarm nur ein Entscheidung, in eine andere Richtung abzubiegen. Derselbe Bürgerschwarm könnte hingegen nicht in seiner Gesamtheit von vielleicht 50 Millionen Versicherungspflichtigen ein neues Krankenversicherungssystem entwerfen.

Zweites Beispiel: große politische Umbrüche. Die Montagsdemonstrationen in der Ex-DDR 1989 sind in ihrer Ablehnung des Realsozialismus ein schwarmintelligentes Verhalten gewesen. Auch hier gab es wieder eine binäre Entscheidung: System weiter akzeptieren oder ablehnen? Doch schon im Dezember 1989 konnte man sehen, dass der Protest-Mob nicht in der Lage war zu entscheiden, wie denn eine neue DDR aussehen sollte. Dass aus den Plakaten "Wir sind das Volk" plötzlich "Wir sind ein Volk" wurde und die Wiedervereinigung in den Raum stellten, führe ich auf gezielte Manipulationen auch von westlicher Seite zurück. Was vorher ein Schwarm war, wurde jetzt zu einer von Meinungs- oder Rädelsführern gelenkten Masse. Ab diesem Punkt hat meines Erachtens das Schwarmverhalten aufgehört.

Oder nehmen wir 1933: Hat die Schwarmintelligenz versagt hat, als die Nazis binnen Monaten das Land in einen Terrorstaat umwandelten, oder im Gegenteil diesen erst ermöglicht, weil ja jeder seine Nachteile minimieren wollte und sich in den Nazi-Schwarm einfügte? Auch hier glaube ich, dass aus dem Schwarm, der die Bewegung aus sich selbst heraus entwickelt, eine manipulierte Masse wurde.

Bei aller Sympathie für kollektive Intelligenz: In der Politik sind mir schwarmresistente anarchistische Individuen, die im Idealfall einen zwanglosen Habermas'schen Kommunikationsprozess hinbekommen, deutlich lieber. Davon könnten wir heute auch mehr gebrauchen.


Wer auch einen Kommentar abgeben möchte, schicke ihn bitte an lomu@lomu.net. In Kürze werden wir auch ein Forum einrichten, in dem man dann direkt weiterdiskutieren kann.

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