LOMU Hamburg: soziale Experimente und Aktionen zu Technologie, Kunst, Politik, Gesellschaft, Globalisierung, Regionalisierung, Globalisierungskritik, Schwarmintelligenz, …konomie, Situationismus, Utopie, Stadtentwicklung, UrbanitŠt, Zukunftsvisionen, Futurologie, Trendforschung, Kapitalismuskritik, Web 2.0, Community

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Die Laborexperimente

Wie verhalten sich vermeintlich rationale Individuen in Entscheidungssituationen, deren Ausgang nicht nur vom eigenen Verhalten abhängt: Setzen wir dann alles gnadenlos auf Sieg? Oder steht doch eher das gemeinsame Erleben und Teilen im Vordergrund? Wie halten wir es mit Fairness? Und müssen Strafen manchmal sein, um egoistisches Verhalten einzudämmen? In zwei scheinbar ganz einfachen Spielen ist LOMU dem auf den Grund gegangen.

Das Ultimatum-Spiel

Los ging es mit dem so genannten Ultimatum-Spiel. Hierbei sollen zwei Spieler $100 teilen. Spieler A bekommt zunächst das Geld und muss entscheiden, wie viel er Spieler B davon abgeben will. Dabei ist A völlig frei, welchen Betrag er seinem Mitspieler anbietet. Danach muss B entscheiden, ob er das Angebot akzeptiert oder nicht. Lehnt er ab, verlieren beide und keiner bekommt einen Cent. Nimmt er den von A offerierten Betrag an, können beide ihren Betrag behalten.

Unter der Annahme der ökonomischen Rationalität müsste Spieler B jeden noch so kleinen Betrag akzeptieren, da dies für ihn ein „besser als nichts haben“ bedeutet. In der Praxis zeigte sich aber schnell, dass sich die Spieler nach anderen Kriterien entscheiden. Beim ersten Durchlauf des Experiments erhielten vier Testpersonen jeweils $100 Spielgeld und sollten diesen Betrag teilen, ohne zu wissen, an wen sie ihr Angebot richten. Durch diese Anonymisierung des Spielablaufs sollte zusätzlich jedwede persönliche Komponente aus dem Handeln entfernt werden.

Bei der Auswertung zeigte sich, dass drei Bieter den Einsatz 50:50 geteilt hatten. Die meisten begründeten dies damit, dass sie sich fair verhalten wollten. Andere wollten sicher gehen, dass ihr Gegenüber auch ja den Betrag annehmen würden. Nur einer bot lediglich $10 an, was von seinem zufällig ausgelosten Mitspieler prompt abgelehnt wurde, so dass beide leer ausgingen. Dagegen wurden die 50/50-Angebote allesamt akzeptiert.

Bei der Wiederholung des Spiels mit komplett neuen Spielern zeigte sich dann die „gelernte“ Macht der Spieler auf Position B. In zwei Fällen boten die Spieler A jeweils $70 bzw. sogar $80 an, nur um sicher zu gehen, dass ihr Angebot auch ja akzeptiert würde, um nicht mit leeren Händen aus dem Spiel zu gehen. Bei den beiden anderen Spielern A wurde wieder 50/50 geboten. In allen Fällen nahmen die Spieler B den offerierten Betrag an. Damit entsprachen unsere Testkandidaten nicht dem Modell des „Homo economicus“, der in den meisten Wirtschaftstheorien immer noch als Basismodell angenommenen wird, um menschliches Verhalten beim Handeln und Wirtschaften zu beschreiben.

Das Trittbrettfahrer-Spiel (free rider game)

Das nächste Experiment wollte soziales Verhalten und das Phänomen der „Trittbrettfahrer“ unter die Lupe nehmen. Dazu saßen vier Probanden an einem Tisch, jeder zu Beginn ausgestattet mit $50 Spielgeld. In jeder Spielrunde sollten die Spieler entscheiden, wieviel von ihrem Geld in den Gemeinschaftstopf fließen sollte. Der so zusammengekommene Geldbetrag wurde anschließend verdoppelt und zu gleichen Teilen an alle Spieler ausgezahlt, d.h. es wurde nicht anteilig berücksichtigt, ob jemand viel oder wenig eingezahlt hatte, sondern jeder wurde gleichermaßen aus der Gemeinschaftskasse bedient. Das Spiel wurde auf sieben Runden angesetzt mit der Vorgabe, dass derjenige Spieler, der am Schluss das meiste Geld erspielt hatte, einen realen Preis gewinnen würde.

Zu Beginn gaben einige Spieler ihren gesamten Geldbesitz in den Gemeinschaftstopf, um möglichst hohe Verdoppelungsraten zu erzielen. Diese Vorgehensweise würde der Gemeinschaft den größtmöglichen Gewinn sichern. Am Ende der Spiele zeigte sich aber, dass diejenigen, die über den gesamten Spielverlauf am wenigstens eingezahlt hatten, als Sieger das Feld verließen. So partizipierten sie an den Einsätzen anderer, ohne selbst zum Gewinn beizutragen.

Umgekehrt hatten die großzügigsten Geber am Ende den geringsten Zugewinn zu verbuchen. Teilweise gingen die Sieger dabei im Spielverlauf taktisch vor, in dem sie sich in den ersten Runden großzügig verhielten, um dann nur noch ganz kleine Beträge einzuzahlen. Dieses Trittbrettfahrer-Verhalten zeigte sich im Übrigen sowohl bei Männern wie Frauen.

An einem Spieltisch ergab sich allerdings eine interessante Situation, wo drei Frauen und ein Mann gegeneinander spielten. Am Ende hatten die drei Frauen jeweils exakt den gleichen Betrag erspielt, während der Mann beinahe soviel Geld erzielt hatte, wie die drei Frauen zusammen. Des Rätsels Lösung: In der letzten Runde hatten alle drei Frauen ihren gesamten bis dahin erspielten Geldbetrag in den Gemeinschaftstopf gegeben, wobei jede ganz unterschiedliche Summen bis dahin erzielt hatten ($226, $526 sowie $434). Der männliche Mitspieler zahlte dagegen nur $2 ein und unterlief das kollektive Verhaltensmuster der Frauen. Weil der so entstandene Gemeinschaftstopf wieder gleichmäßig durch vier geteilt wurde, hatten nun die Frauen jeweils exakt dieselbe Summe gewonnen, der Mann jedoch bekam mehr zurück und konnte so den Sieg davongetragen.

Um den Spielern die Möglichkeit zu geben, der Trittbrettfahrer-Mentalität ihrer Mitspieler entgegen zu wirken, wurden nun im Experiment Bestrafungen zugelassen. Dabei durfte jeder Spieler am Ende einer Runde den anderen Spielern am Tisch eine Geldstrafe auf brummen, wenn er ihr Verhalten für unsozial hielt. Um wechselseitiges Abstrafen zu verhindern, notierten die Spieler ihre Strafabsichten vor der Verkündigung auf einem Zettel, der zudem von den Spielleitern kontrolliert wurde. Für das Aussprechen einer Strafe musste ebenfalls ein Betrag gezahlt werden, der allerdings deutlich niedriger war als das Strafmaß.

Schnell stellte sich heraus, dass Bestrafungen erst dann eingesetzt wurden und eine klare Wirkung im Spielverhalten zeigten, wenn das zu zahlende Strafmaß deutliche Verluste der erspielten Geldsumme für die Betroffenen bedeutete. Dazu wurde von den Spielleitern die Höhe des Strafbetrags im Verlauf des Spiels dynamisch mit den steigenden Gewinnen angepasst. Interessanterweise wurde dabei in einer Spielrunde auch einmal ein offensichtlich als „zu hoch“ empfundener Einsatz von einem Spieler bestraft, der möglicherweise so ein „opportunistisches“ Sozialverhalten abstrafen wollte.

Durch die Einführung wirkungsvoller Bestrafungen drehte sich das Spielverhalten deutlich. Als Sieger gingen die hervor, die im Spielverlauf am meisten in den Gemeinschaftstopf eingezahlt hatten, während nun die Trittbrettfahrer klar das Nachsehen hatten. Zusätzlich ließ sich beobachten, dass die absolute Höhe der erspielten Gewinne nicht davon abhing, ob mit oder ohne Bestrafung gespielt wurde. Vielmehr war hierfür die spezifische Risikobereitschaft der jeweils beteiligten Spieler am Tisch, viel oder wenig Geld einzusetzen, ausschlaggebend. Als Fazit könnte man hier zuspitzen: Ohne drastische Strafen kein soziales Verhalten!


Deckt sich das mit euren Erfahrungen? Oder wie erlebt ihr Konkurrenz, Kooperation und Trittbrettfahrerverhalten im Alltag?

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