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Mach das selbst!
Ein paar subjektve Gedanken zur Kunst heute


Wir leben im Zeitalter des Spezialistentums. Auch "der" Künstler ist ein ausgewiesener Spezialist. Nicht mehr für das Schöne, Wahre, Gute, das ist lange vorbei. Der Künstler ist heute ein Spezialist für die Untersuchung der Welt mit anderen Mitteln, für die Kontemplation genaus so wie für die Provokation. Sein Produkt nennt sich Kunst. Wie bei jedem Spezialisten gibt es Instanzen, die uns sagen, dass wir es mit echter Kunst zu tun haben. Und die uns gleichzeitig, wenn auch nicht direkt ins Gesicht, vermitteln, dass wir besser die Finger davon lassen sollten. Das haben wir verstanden: Wir können das nicht, also kaufen wir Kunst, hängen sie uns übers Sofa oder stellen sie auf den Vorplatz eines Parlaments oder einer Firmenzentrale.

Manchmal ärgern wir uns in einer Ausstellung und denken: "Das kann ich auch", wenn etwas einfach oder wirr erscheint. Natürlich kann man das als kleinbürgerliches Ressentiment gegen die Kunst abtun und ein "Kannst du nicht" dagegenhalten. Das ist aber die falsche Erwiderung.



"Das kann ich auch" hat in Wirklichkeit gar nichts damit zu tun, ob einer etwas kann oder nicht. Es ist vielmehr ein Zeichen der Frustration, ja des Neides: Jemand hat einen privilegierten Raum bekommen, um seine Sicht der Dinge darzulegen, wir dagegen nicht – obwohl wir vielleicht dasselbe mitzuteilen hätten, vor allem wenn es wirr und einfach ist. Aber kein Spezialist hat uns erkannt.

Dieses Dilemma ist tragisch. Es ist vor allem tragisch, weil ihm ein anachronistisches Verständnis von Kunst zugrunde liegt: Kunst als Medium, über das einige Berufene senden, und wir empfangen. Darauf sind wir konditioniert worden, und daran hat auch die moderne Kunst nichts geändert.

Für mich ist diese Vorstellung von Kunst unvollständig. Ich sehe Kunst vielmehr als befreiendes Gegenprinzip zur Rationalität des Kapitalismus, der in immer mehr Nischen des Lebens vordringt. Diese Rationalität besagt: Mach aus deinem Spezialistentum eine Ware, investiere und sei effizient. Marx hatte doch recht, wenn er vom "Warenfetischismus" sprach: Alles, von der Altenpflege über die Party bis zum Zeichensatz, wird in ein Produkt verwandelt, für das wir bezahlen müssen.

Das Gute ist: Wir müssen nicht alles selbst machen. Fragwürdig ist aber, dass wir uns immer weniger zutrauen. Wir sind darauf angewiesen, die nötige Kohle zu haben, um uns selbst simple Dinge leisten zu können, die wir nicht (mehr) schaffen.

Dagegen stelle ich die Kunst: Bei ihr geht es nicht um Effizienz und Warenproduktion, sondern um die kreative Autonomie im eigenen Leben, darum, Dinge selbst anzupacken, zu gestalten, vielleicht sogar zu produzieren – nicht für einen Massenmarkt, sondern für lokale Bedürfnisse. Die Erwiderung auf den maulenden Ausstellungsbesucher müsste deshalb – ohne jeden Zynismus – heißen: "Mach das selbst!"

Der amerikanische Physiker Neil Gershenfeld treibt diese Idee seit einigen Jahren mit den "Fab Labs" voran, lokalen Hightech-Werkstätten, die als Gegenentwurf zur heutigen Industrieproduktion gemeint sind. Gershenfeld würde das wohl nicht als Kunst bezeichnen. Aber die begeisterten Reaktionen auf seine Universitätskurse "How to build (almost) anything" und die ungewöhnlichen Objekte, die in den Fab Labs gemacht werden, haben etwas von einem künstlerischen Impuls. „Die ganze Aktivität war wie ein Chor aus technischen Stimmen, die sagten: &Mac226;Ich bin ich. Ich existiere’“, hat Gershenfeld in seinem großartigen Buch „Fab“ geschrieben.

"Ich bin ich. Ich existiere", diese radikale Subjektivität, die sich über Zwänge und Ansprüche hinweg setzt und damit erst etwas Neues erschafft, ist für mich immer ein wesentliches Element der Kunst gewesen. Aber es ist kein Privileg von einigen Glücklichen. Nein, jeder kann und sollte diesen Schritt gehen. Joseph Beuys hat das gewusst, und er hat es ausgesprochen.

Deshalb, Lomunauten: Let's Beuys. Nicht nur heute, sondern auch sonst. Ihr könnt das auch.

nbo


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