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Das Problem der Gentrifizifierung
Gegenkonzepte
Hier werden nach und nach Ideen gesammelt, was man dem Problem entgegensetzen kann

Ad-hoc-Maßnahmen
Soziale Erhaltungsverordnungen durch die Bezirke
Immobilien dem Markt entziehen: das Mietshäuser Syndikat
Das Ende des Immobilienmarktes: Idee für Sozialwohneigentum


Ad-Hoc-Maßnahmen

Kurzfristig kann man versuchen, allen Investoren, die einzig auf Profit aus sind, zu signalisieren: Ihr seid hier nicht nur nicht willkommen, ihr werdet hier auch keinen Spaß haben.

Die blödsinnigste Maßnahme kann man derzeit immer wieder in der Schanze sehen: Steine gegen Schaufenster. Die Steinewerfer mögen sich zwar moralisch legitimiert fühlen und dies als notwendigen Akt des Widerstands empfinden. Aber wer entscheidet eigentlich, welcher Laden "politisch korrekt" ist und welcher nicht? Die Steine fliegen bisher ziemlich unterschiedslos in alles, was irgendwie nach Gentrification aussieht. Nach den konkreten ökonomischen Verhältnissen wird dabei offensichtlich nicht allzu genau geschaut. Thema verfehlt, sechs, setzen.

Besser und alles andere als wirkungslos ist eine Kampagne mit Gegeninformation, Pressearbeit und Demo. Im Falle der lückenlosen Beach-Club-Front an der Hafenstraße zeigte das die Kampagne "Strand für alle". Der Bezirk machte schließlich einen Rückzieher und verlegte die Beachclubs aufs Parkdeck neben dem Eingang des alten Elbtunnels (vorerst jedenfalls).

Bei der Demo "Die Stadt gehört allen" am 13. Juni zogen ca. 1500 Hamburger von der Innenstadt nach St. Pauli. Es lohnt, immer mal am Rathaus vorbeizuschauen und sich bemerkbar zu machen. Vielleicht demnächst immer öfter.

Und vielleicht sollte das "Abwertungskit" von Es regnet Kaviar mal flächendeckend eingesetzt werden.


Soziale Erhaltungsverordnungen durch die Bezirke

Wer in diesem Staat etwas dauerhaft ändern will, muss den Hebel beim Recht ansetzen. Um der Mietenexplosion einen Riegel vorzuschieben, müsste es eigentlich eine Mietpreisbindung oder verbindliche Obergrenzen in Quadratmeterpreisen geben. So etwas gab es früher durchaus, aber heute natürlich nicht mehr.

Ein schwächerer Hebel ist die "Soziale Erhaltungsverordnung": Mit ihr können in schützenswerten Vierteln zumindest die Mieterhöhungen nach der Modernisierung eines Hauses begrenzt werden. Darin wird festgelegt, um wieviel Euro eine Miete – in Abhängigkeit von ihrer bisherigen Höhe – erhöht werden darf.

Außerdem wird die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen erschwert, zum Beispiel in dem festgelegt wird, dass eine derart umgewandelte Wohnung in den ersten sieben Jahren nur an den Mieter verkauft werden darf. Dadurch erledigt sich eine Modernisierung, die auf schnelle Profite durch Verkauf an potente Kunden hofft. Die Erfahrung mit bisherigen Sozialen Erhaltungsverordnungen (SEV) zeigt, dass das Instrument durchaus wirkt. In der Neustadt gingen die Umwandlungen nach Erlass einer SEV um 100 Prozent zurück, d.h. es gab danach keine mehr, in Eimsbüttel waren es -97 Prozent und in Barmbek immerhin noch -80 Prozent.

Den Anstieg des Mietenspiegels, auf den sich Vermieter gerne rausreden ("Ist doch eine ortsübliche Miete"), begrenzt die SEV allerdings nicht. Denn in den Mietenspiegel fließen nur geänderte Mieten der jeweils letzten vier Jahre ein. Neuvermietungen in Neubauten werden hier also viel zu stark gewichtet. Steigt der Mietenspiegel aber über einen gewissen Wert, wird ein Viertel von Gutachtern plötzlich von der normalen zur guten Wohnlage befördert – obwohl sich für die meisten Bewohner im Viertel nichts verbessert hat. Die gute Wohnlage nehmen Vermieter dann wiederum, um noch höhere Mieten zu rechtfertigen. So dreht sich die Sache schön im Kreis – und immer weiter nach oben.


Immobilien dem Markt entziehen: das Mietshäuser Syndikat

Eine ganz eigene Form der Selbsthilfe hat das 1992 gegründete Mietshäuser Syndikat entwickelt, das mittlerweile 33 Projekte und 26 Projektinitiativen umfasst. Es entzieht Immobilien dem Markt und damit der Spekulation, indem diese gekauft und in eine clevere Rechtskonstruktion gepackt werden, aus der heraus Einzelpersonen oder Gruppen sie nicht mehr weiterverkaufen können. Das Privateigentum an Immobilien wird also nicht aufgehoben, aber in eine ganz andere Richtung gelenkt.

Das funktioniert ganz vereinfacht so: Für ein gekauftes Haus wird eine Hausbesitz GmbH gegründet, die zwei Gesellschafter hat, den Hausverein (also die Bewohner) mit 50,4 Prozent Einlage und die Mietshäuser Syndikat GmbH mit 49,6 Prozent Einlage. Verkauft werden kann nur, wenn beide dafür sind. Das Mietshäuser Syndikat verhindert also, dass in die Jahre gekommene Linke am Ende doch eincashen wollen, nach dem Motto "was gehen mich meine Reden von gestern an."

Natürlich muss bei diesem Konzept immer irgendwo Kapital aufgetrieben werden. Die Eier legende Wollmilchsau ist es also noch nicht. Wer mehr dazu wissen will, findet unter www.syndikat.org eine Menge Informationen, wie das System in der Praxis funktioniert.

nbo


Um das Problem bei der Wurzel zu packen, wäre allerdings ein radikalerer Umgang mit Wohneigentum nötig. Die folgende Idee entstand bei einer der vielen Diskussionen in der Vorbereitung des Gentropoly in einer Kneipe (weshalb sie auch noch roh ist, und man müsste sie eigentlich auf Wohneigentum insgesamt anwenden):

Das Ende des Immobilienmarktes: Idee für Sozialwohneigentum

Die Idee ist, den öffentlichen sozialen Wohnungsbau dank Mietkaufrecht und Eigentumsgewinnung als Stadtteilprojekt mit Refinanzierung auf lange Sicht ein neues Gesicht zu geben. Im Gegensatz zu Genossenschaftswohnungen sind die Eigentumswohnungen nicht vererbbar, sondern bleiben dem öffentlichen Bauprojekt als Refinanzierung und Sanierungsbasis erhalten.

Somit sollen zum einem soziale Schichten, die sich eigentlich keine Wohnung leisten können und normalerweise von Immobilienmaklern aus dem Stadtteil verdrängt werden, langfristig zu Wohnungseigentum als Altersabsicherung gelangen und gleichzeitig dem Stadtteil erhalten bleiben.

1. Schritt:
Die Kommune / Stadt bietet Neue Sozialwohnungen mit Mietkaufsrecht an. Der Mieter erwirbt über ca. 20 Jahre mit der Miete auf niedrigem Niveau seine Wohnung. Dadurch entsteht eine Altersvorsorge, bei der im Rentenalter nur noch die Hausumlage und die Nebenkosten für Wasser und Energie anfallen. Des Weiteren wird der Sanierungsaufwand im sozialen Wohnungsbau reduziert, denn der Mieter/Besitzer geht mit seiner Wohnung umsichtiger um.

2. Schritt:
Wenn der Mieter stirbt, kann er die Wohnung nicht seinen Verwandten vererben (was auf Grund der soziodemografischen Entwicklung ohne seltener der Fall sein wird), sondern die Wohnung fällt wieder an das Projekt zurück und wird nach einer Sanierung NEU vermietet/verkauft. Somit refinanziert sich das Projekt über 50 Jahre selbst und die Mietpreise können niedrig gehalten werden.

Ausstiegsklausel:
Scheidet der Mieter frühzeitig aus dem Projekt aus wegen Umzug, neuer Lebensperspektive etc., erhält er eine Abschlagszahlung, die ca. 1/3 seiner Investitionen/Miete im Projektzeitraum entspricht (muss man im Detail durchrechnen, ähnlich einer Lebensversicherungspolice).

Die Wohnungen kann man nur ab den 18. Lebensjahr erwerben. Der Hauptmieter sind eine oder zwei Personen. Bei Lebensgemeinschaften geht die Wohnung erst nach dem Austritt oder Tod beider Personen an das Projekt zurück.

Angestoßen und aufgezeichnet von Joachim Bornemann, Oktober 2008

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