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Der Soundtrack zum Summer of Love

1. Juni 1967: Die Beatles veröffentlichen "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band", die Sensation des Pop-Jahres '67. Meine persönliche Langversion des Albums findet ihr weiter unten zum Runterladen.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin ein Hardcore-Beatles-Fan. Sgt. Pepper war die Platte, die mir im ersten Semester über die Ödnis deutscher Lernfabriken hinweghalf. Da war etwas in diesem Sound, dass offenbar auch noch lange nach '67 wirkte. Ein musikalischer Trip, der augenblicklich good vibrations verbreitet, wenn die ersten Takte erklangen.

Auch wenn man es heute, trotz vieler guter Lieder auf dem Album, so nicht mehr nachvollziehen kann: Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band war bei seinem Erscheinen eine Sensation. 129 Tage hatten die Beatles in den Abbey Road Studios vor sich hin gewerkelt, aus der damals üblichen Vierspur-Aufnahmetechnik das letzte rausgeholt, viel gekifft und ordentlich LSD geschluckt. Und dann kam eine Platte, an der so viel neu war: der manchmal psychedelische Pop-Sound, das Cover, das Artwork der Platte, die Endlos-Rille mit der geheimen Botschaft am Schluss, die Instrumentierung von "A Day In The Life", das sensationelle "Lucy In The Sky With Diamonds"... (ging es da etwa um LSD?).

Die Reaktionen waren euphorisch "Tripping with this record is mind-blowing experience", hieß es in der International Times, und selbst "ernsthafte" Musikkritiker wie William Mann von der Times lobten es in höchsten Tönen. "Es ist das erste Rock-Album, das von einem Thema zusammengehalten wird."

John B. Sebastian (der mit "Summer In The City") sagte: "Es war eine ungeheure Herausforderung. Ich gerade ein Album fertig gestelt, und als ich dann diesen unglaublichen Haufen von Tracks hörte, rückwärts gespieltes Zeug, ganze Orchester, die ziemlich unkonventionell spielen, mechanische Tricks, die wir noch nie vorher gehört hatten, erschien es mir wie eine unlösbare Aufgabe, irgendetwas zu machen, was auch annähernd darankommt."

Peter Fonda gab das Album den entscheidenden Kick: "Alle hatten mir gesagt, ich müsste die Spielregeln von Hollywood akzeptieren. Ich entschied aber, meine eigenen Filme zu machen, und als ich die Zeile "I'll get by with a little help from my friends" hörte, fragte ich mich, was passiert, wenn ich "out of tune" singe. Ich fühlte, wenn die einfach losgehen und so unerhört sein konnten und es schafften, dann konnte ich das auch. Und ich tat es. Und "with a lot of help from my friends" wie Dennis Hopper und Terry Southern kam ich dann mit Easy Rider an."

Langdon Winner, heute ein höchst lesenswerter Techniksoziologe, erinnert sich an die Stimmung in den Wochen danach: "Als die Platte draußen war, fuhr ich über die Interstate 80 durchs Land. In jeder Stadt, in der ich anhielt wegen Benzin oder Essen – Laramie, Ogallala, Moline, South Bend – waberten die Melodien von Sgt. Pepper aus Transistorradios oder tragbaren Plattenspielern. Es war das Unglaublichste, was ich je gehört habe. Für einen kurzen Augenblick waren das irreparabel zersplitterte Bewusstsein des Westens wieder vereinigt, jedenfalls in den Köpfen der jungen Leute."

Jimi Hendrix spielte bereits zwei Tage nach der Veröffentlichung auf seinem Londoner Konzert eine Cover-Version vom Eröffnungsstück "Sgt. Pepper", zur großen Verblüffung der Beatles, die auch da waren. Sir Joseph Lockwood, Geschäftsführer des EMI-Labels, fand sich gar auf einer Dinner-Party der besseren Londoner Gesellschaft wieder, bei dem die Frauen auf dem Fußboden saßen, Sgt. Pepper hörten und mitsangen. "They were absolutely thrilled with this record."

Glücklicherweise gab es damals offenbar noch nicht die Attitüde, Platten scheiße zu finden, wenn die falschen Leute sie hören. Sgt. Pepper fixte alle an (was zum letzten Mal bei Nirvanas "Nevermind" der Fall war). Und obwohl die Beatles längst Millionäre und Megastars waren, genossen sie damals – noch erstaunlicher – höchsten Respekt in der damaligen Independent-Szene. Nicht nur wegen der Musik: Vor allem Paul McCartney (den heute alle für eine Schnullerbacke halten, und ja, er zieht sich heute auf Konzerte grausame pink T-Shirts an) war in der Londoner Counterculture ziemlich aktiv, hielt die International Times nach ihrer Polizei-Razzia finanziell über Wasser, saß beim Monterey Festival im Organisationskomitee und half auch mal neuen Szene-Galerien aus. Der große John Lennon hatte da sein aktivistisches Erwachen noch vor sich, Yoko Ono traf er erst ein Jahr später.

Selbstverständlich gab es auch solche, die Sgt. Pepper nichts abgewinnen konnten. Frank Zappa war einer davon. In seiner Musik-Werkstatt am Rande von LA hielt er ohnehin Distanz zur Hippie-Szene. Zappa unterstellte den Beatles, nur auf den Summer of Love aufgesprungen zu sein und veröffentlichte Ende '67 ein Album, dessen Titel darauf anspielte: "We're only in it for money". Das Sgt. Pepper verarschende Original-Cover wurde allerdings zurückgezogen und erst Jahrzehnte später in einem Re-Release veröffentlicht. Umgekehrt hat Paul McCartney einmal gesagt, Zappas 66er Platte "Freak Out!" hätte ihn maßgeblich zur Arbeit an Sgt. Pepper inspiriert.

Und natürlich gibt es auf Sgt. Pepper auch Hänger. Angeblich war es zunächst als groß angelegtes Album über Orte in Liverpool gedacht, doch die ersten beiden Lieder zum Thema, "Penny Lane" und "Strawberry Fields", wurden schon im Februar '67 als Single ausgekoppelt und nicht mehr auf die LP genommen. Sehr schade. Danach wurde die Idee aufgegeben. Sgt. Pepper ist auch kein Konzept-Album, wie immer behauptet wird, aber es klingt ein wenig so, weil die Songs schon denselben Spirit haben.

Ein weiteres Gerücht besagt, es habe eigentlich ein Doppelalbum werden sollen. Deshalb gibt's hier noch um Runterladen meine fiktive Doppelalbum-Version: "The Full Psychedelic Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" (das Cover mit Tracklisting als PDF). Mit drin sind Stücke von "Revolver", der Platte davor, und von "Magical Mystery Tour", der Platte danach, sowie die Single "Penny Lane/Strawberry Fields". So ist es meines Erachtens eine runde Sache. Rausgeschmissen habe ich dafür "She's leaving home" und "When I'm sixty-four", die für mich die Hänger der Platte sind (auch wenn es gute Stücke sind). Hört da mal rein.

nbo


Zum Weiterlesen

Einen wirklich erschöpfenden Beitrag über Sgt. Pepper hat die englische Wikipedia. Für alle, die es ganz genau wissen wollen.

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Intro
Der Summer of Love – aus heutiger Sicht
Human Be-In im Golden Gate Park
Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band
Chronik von 1967
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