LOMU Hamburg: soziale Experimente und Aktionen zu Technologie, Kunst, Politik, Gesellschaft, Globalisierung, Regionalisierung, Globalisierungskritik, Schwarmintelligenz, …konomie, Situationismus, Utopie, Stadtentwicklung, UrbanitŠt, Zukunftsvisionen, Futurologie, Trendforschung, Kapitalismuskritik, Web 2.0, Community



Stimmen zum Community-Experiment

Betrachtung aus dem Dschungel
Betrachtung vom Gipfel
Betrachtungen vom Ozean
Betrachtung der FreePort Authority



Betrachtung aus dem Dschungel:

Wir haben uns spielerisch auf eine Überpersönliche Ebene begeben, um unserer Identitäten-Unterschiedlichkeit, den Rahmen zu geben – freier von unseren Vor-urteilen – zu tanzen. Freier zu "Communityren".
Wir haben uns für "Realitätsbewusstsein" entschieden anstelle von Egobewusstesein.

Wie wir das gemacht haben ? Einfach. Wie Kinder. Wir haben das nicht zerredet, sondern einfach gespielt.
Wir haben so getan, dass alle Formen Inhalt dessen sind, wer wir sind: das Gefäß. Bewusstsein.
Das hat uns von unser übersteigerten Anhaftung an die Formen befreit. Uns aus dem Kopf heraus-gebracht.
Gedanken und Emotionen sind auch Formen, weil sie kommen und gehen. Also nahmen wir sie auch weniger wichtig.

Wir haben dadurch eine Leichtigkeit zueinander erreicht, die unseren kontaminierten Egoverstand so gut wie stillgelegt hat. Immerhin waren wir Fremde zueinander. Wenn Natur vertraut – kommt sie näher.
Das hat eigentlich alles vereinfacht.
Es hat Energie freigesetzt.
Unsere Community wurde spielerischer. Freier. Raumtemperierter. Großräumiger. Toleranter. Lustiger.

Marvin


Betrachtung vom Gipfel:

Gipfelstürmer scheinen schon so ein Völkchen für sich zu sein. Gesellige Einzelgänger, die vor allem die Freiheit lieben und sich nichts vorschreiben lassen wollen.  

Am Anfang waren alle ein bißchen reseviert und sondierten erstmal die Lage, wer da so alles zum Gipfel hinaufgestiegen kam. Bibel, Koran und Machiavelli wurden wahrgenommen, ansonsten aber nicht weiter beachtet oder hinterfragt. Durch das Drängen einer Freeport-Offizierin, sich als Community zu begreifen, sich als solche einen Namen zu geben und durch einen gemeinsamen Thesenkatalog zu konstituieren, entstand tatsächlich ein unausgesprochener Zusammenhalt. Allerdings weniger, um den Anordnungen zu folgen, sondern viel mehr, um in schweigendem Einverständnis diesem störenden Eindringling entgegenzutreten. Denn wie bereits erwähnt, lässt sich der Gipfelstürmer nicht gerne etwas vorschreiben, erst recht nicht auf dem Gipfel selbst.

Denn dieser steht für alle, wie sich im Laufe der Zeit rausstellte, als Synonym für Freiheit, Klarheit, Weitsicht und eine Art Auszeit. Eine Auszeit von den Wirren des Alltags. Eine Auszeit von den Konventionen des Lebens und der Gesellschaft. Er ist ein Ort meditativer Kontemplation mit sich oder allenfalls mit einer Gruppe Gleichgesinnter, und zwar in genau dieser Reihenfolge.

Die anwesenden Gipfelstürmer schienen alle ein wenig in sich gekehrt zu sein, gewohnt, Dinge mit sich selbst auszumachen und der eigenen Intuition zu vertrauen. Doch genießen sie andererseits auch die Gemeinschaft, die (und dieses Wort tauchte tatsächlich mehrfach auch) Kameradschaft, in der man auch ohne viele Worte eine Stütze findet für den beschwerlichen Weg nach oben und noch viel wichtiger für den langen Weg, den Fall, nach unten, der unweigerlich hinter jedem Gipfel steht. Denn der Gipfel ist kein Ort zum Verweilen. Da das jeder weiß, genießt man die Zeit, in der man oben steht, umso intensiver, teilt seine ausgelassene Freude und Unbeschwertheit mit allen, die dazu stoßen, solange sie nur diesen höchsten und heiligsten Moment von Freiheit und Losgelöstheit respektieren und nicht anfangen, ihn durch Fragen und Konventionen zu gefährden.

Zusammenfassend könnte man also sagen, der Gipfelstürmer ist ein in sich gekehrter, freiheitsliebender, genügsamer und hilfsbereiter Purist, der unbarmherzig zu sich selbst und zu anderen sein kann, und teilweise wie mit Scheuklappen sturr und unbeirrbar seinem Ziel entgegestampft, dem buddhistischen Grundsatz folgend, wenn du gehst, dann gehe.  Doch braucht er für sein Gleichgewicht auch die Gemeinschaft, und wenn, dann wie bei allem in der höchsten Dosierung. Vielleicht ist er wirklich ein Extremist?

Doch das erstaunlichste war, das sich die Gipfelstürmer bis zuletzt verweigert haben, sich einen gemeinsamen Namen zu geben. So blieben eine temporäre Interessengemeinschaft, die sich genauso schnell aufgelöst wie sie zusammengefunden hat.

Dode


Betrachtungen vom Ozean:

...Ich versuche mein Sozial-Tool Gittarre ins Spiel zu bringen.
Ich erzählte von einem neuen Hit ohne Strom und gebe den Refrain “Duscht kalt”, zum besten. Begeisterung bricht aus, die Deutschlandradioreporterin mit dem iranischen Überraschungsei zückt ihr Mikrofon.

Der Name für unsere Community ist gefunden!
Kalt duschen.
Doch keiner will singen.
Der Regisseur mag keine Protestsongs, die schöne Gabi gibt an, kein Tool dabei zu haben, sich überhaupt nicht für das Internet zu interessieren (…) und auch nicht kalt zu duschen…
“Auch nicht heute?”, frage ich.
“Ja heute…, vielleicht.”, sagt sie.
Es stellt sich heraus, daß ihr Körper als Sozial-Tool dienen könnte.

Es wird die rote Fahne eines benachbarten Malers, der gerade seine Ausstellung hostet, entliehen. Die von der flux darauf am Boden liegenden Gabi vorgeführten Yogafiguren von einigen Teilnehmern nachgeahmt.
Vor dem geschlossenen Zollgittertor vorbeilaufende Passanten rufen ihre Hunde zurück.

Der benachbarte Künstler aus den Masuren findet eine Kassette mit Wal- und Delfinstimmen und bringt auf Anfrage, zwei Schüsseln mit Wasser. Wir beschließen als Gruppe mit Gabi durch ein gemeinsames OM den Klang des Ozeans zu erzeugen.

Es gelingt!

Jemand in der Gruppe hat ein Sozial-Tool-Handy mit einer digitalen OM-Aufnahme dabei. Herbeigeeilte Lomu-Diplomaten sind vom Analogen begeistert.

Unter großer Anteilnahme der restlichen Gruppe darf ich das noch verschlossene, bombengroße iranische Überraschungsei öffnen.
Die Spannung steigt ins unermessliche.

Die Überraschung, eine Motoryacht,
wird in einer der Wasserschüsseln zu Wasser gelassen,
hektisches Suchen nach Batterien beginnt...

Stefan

Dies ist ein Auszug aus dem großartigen Blogeintrag von Stefan a.k.a. DJ Deutschland über das Community-Experiment. Den gesamten Text findet ihr in seinem Blog.


Wie sind zum "Ozean" gegangen, weil bei den anderen Communities schon so viele waren. Aber offenbar waren wir um 18 Uhr schon zu spät dran: Der Ozean plätscherte eher selbstvergessen vor sich hin. Name, Motto etc. – das war alles schon vorhanden und wollte auch nicht wirklich mehr ergänzt werden. Einer (der mit der Augenklappe, den Namen weiß ich leider nicht mehr) spielte Gitarrre, ein Anderer (der ausstellende Künstler, dessen Namen ich auch schon wieder vergessen habe, sorry) improvisierte dazu lustigen Sprechgesang. Die beiden waren Unterhalter – wenn auch der Künstler einfach nicht aufhören wollte, von Otto Mühl zu schwärmen, was dann die kleinen Gemeinsamkeiten austrocknen ließ. Wir saßen da und kamen – trotz der weißen Anzüge, die ein kurzes Gesprächsthema abgaben und ein nettes Ich-bin-eine-soziale-Plastik-Gefühl auslösten – nicht wirklich an.

Deshalb schlenderten wir irgendwann herum und klebten unser roten Punkte, wobei sich »Dumm klickt gut!« als Favorit erwies. Und dann löste sich eh alles auf und eine neue Community, die diesen Namen auch verdiente, bildete sich um Bierausschank und Feuerstelle und es wurde ein schöner lauer und lustiger Sommerabend. Was immer und auf jeden Fall wohl mehr ist, als man online erwarten kann.

Helmut


Betrachtung der FreePort Authority:

Ich war schon am Anfang ziemlich verblüfft, dass sich in der Einreise-Halle alle in diese Papier-Overalls zwängten, trotz der Hitze. Was wir natürlich nicht voraussehen konnten, war, welche Orte die Lomunauten anziehen würden. Wie sich herausstellte, waren die ganz realen Assoziationen sehr mächtig: Bei fast 30 Grad im Schatten klingt Ozean nach Strand und kühlem Wasser, Gipfel nach einer frischen Brise. Schnell füllte sich der Ozean mit Abenteurern, während der Gipfel aus unerfindlichen Gründen besonders Lomunauten mit Kleinkindern anzog. Für den Dschungel, heiß und schwitzig anmutend, erwärmten sich dagegen nur wenige. Tatsächlich war es überall gleich heiß.

Wir hatten an den Orten einige Sozial-Tools deponiert, um den Kommunarden einen Anknüpfungspunkt zu bieten, falls sie nicht weiterwissen. Diese Gegenstände standen gleichzeitig für unsere Vorstellung, in welche Richtung sich eine Community entwickeln könnte. Der Ozean waren für uns die "Freien", ausgestattet nur mit einer Seifenblasen-Dose. Auf dem Gipfel warteten für die "Extremen" eine Bibel, ein Koran und "Der Fürst" von Macchiavelli. Der Dschungel schließlich bot den "Kreativen/Gestaltern" Fingerfarben, Luftballons, Kinderstempel, eine Drachenleine und das Buch "Guerilla Art".

Natürlich kam es anders. Eigentlich nutzten nur die Dschungel-Kommunarden, "die Wahren", wie sie sich nannten, etwas von diesen Tools, als sie aus den Luftballons Wasserbomben machten. Das meiste entstand spontan, und besonders Ozean/"Kalt Duschen" machten viel aus ihren selbst mitgebrachten Sozialtools (siehe Stefan oben).

Die Störungen hatten wir als Analogien zu typischen Online-Vorkommnissen eingebaut: Bonusprogramm und Wartungsarbeiten kennt jeder. Erstaunlich fand ich, dass die Wartungsarbeiten die Kommunarden tatsächlich zurück an ihre Orte brachte, obwohl sie sich längst um den Grill eingegroovet hatten. Klar, jeder wusste, dass es ein Experiment ist, aber da gibt es manchmal mehr Renitenz. Und bis in die Dunkelheit hinein blieben einige in ihren Overalls. Ich glaube schon, dass die es etwas leichter gemacht haben, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Vielleicht sind Schuluniformen wie in England doch keine so schlechte Idee, wie ich immer dachte.

Dass die Grill-Community am Ende alles absorbierte, ist natürlich keine Überraschung. Den Reflex aus der Steinzeit kann man ja auf jeder Party in der Küche beobachten. Die Online-Welt bietet, wenn überhaupt, nur intellektuelle Nahrung. Aus der Thesengalerie und der Umfrage spricht übrigens eine gewisse Distanz der versammelten Kommunarden zu den Segnungen und Möglichkeiten der Online-Welt. In Abwandlung der populärsten These könnte man auch sagen: Mit Reinbeißen und Trinken ist irgendwie schöner.

Als offizieller Kopfumfangmesser in der Einreise-Halle kann ich euch noch folgendes sagen: Der Rekord lag bei 63 cm. Die Herrenköpfe bewegten sich sonst zwischen 56 und 61 cm, die Damenköpfe zwischen 55 und 60 cm. Die Kleinkinder hatten erstaunliche 46 cm. Bei den einstelligen Quersummen des Geburtsdatums hatten wir viele 9en und nur eine einzige 1! Soviel zur Statistik.

Vielen Dank noch mal an alle, die mitgemacht und sich auf das Ganze eingelassen haben.

nbo

LOMU #6

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