LOMU Hamburg: soziale Experimente und Aktionen zu Technologie, Kunst, Politik, Gesellschaft, Globalisierung, Regionalisierung, Globalisierungskritik, Schwarmintelligenz, …konomie, Situationismus, Utopie, Stadtentwicklung, UrbanitŠt, Zukunftsvisionen, Futurologie, Trendforschung, Kapitalismuskritik, Web 2.0, Community
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Die zugrunde liegenden Theorien

Die Versuchsanordnung baut auf drei wissenschaftlichen Ansätzen auf:
der Spieltheorie,
dem Wahlparadoxon von Anthony Downs und
der Logik des kollektiven Handelns von Mancur Olson.


Die Spieltheorie

Die Spieltheorie befasst sich mit Situationen, die Entscheidungsprobleme beinhalten, in denen konkurrierende Interessen eine harmonische Lösung erschweren. In solchen Situationen hängt der Erfolg des Einzelnen nicht nur vom eigenen Handeln ab, sondern auch von den Aktionen anderer Spieler. Welche Strategien werden dabei benutzt und welche wären optimal – das ist Gegenstand der Spieltheorie.

Die Frage nach dem Sinn oder Unsinn vom politischen Engagement des Einzelnen ist auch eine Frage nach dem Wert des eigenen Aufwands im Vergleich zum Einsatz der Anderen und im Hinblick auf persönliche Erfolgsziele innerhalb einer Gruppe gegenüber den Kollektivzielen dieser Gruppe.

Ein geeignetes Experiment, um das hier beschriebene Spannungsfeld zwischen Eigennutzen- und Kollektivnutzen-Erwägungen und damit die Bereitschaft zum politischen Engagement der Bürger zu untersuchen, ist das so genannte Public-Goods-Game bzw. Trittbrettfahrerspiel aus der Spieltheorie. In diesem Spiel geht es darum den Gruppentopf, von dem alle einen Anteil bekommen, zu befüllen. Die Trittbrettfahrer (die nichts einzahlen) profitieren vom Gemeinschaftssinn der Einzahler, was in empirischen Untersuchungen langfristig dazu führt, dass alle Spieler Trittbrettfahrer werden. In der Spieltheorie untersucht man nun die Einwirkung von Sanktionen oder anderen Einflussfaktoren und findet heraus, wie z.B. hier, dass Bestrafung asozialen Verhaltens zur Kooperation führt.

Unter Bestrafung können nun Geldbussen, soziale Sanktionen, Diskriminierung etc. zusammen gefasst werden. Gleichzeitig zeigt das Spiel auch, dass es nicht nur Eigennutz maximierende Rationalisten gibt, wie die Ökonomische Theorie in ihren Modellen stets annimmt, sondern auch Individuen, die gemeinschaftlich und nachhaltig denken und handeln können.

Die Ergebnisse bzw. Erkenntnisse solcher Experimente fließen nicht nur in die strategischen Planungsabteilungen von Unternehmen, sondern finden auch Einsatz in der kommunalen, wie auch internationalen Politik.

Einen ausführlichen Überblick über die Spieltheorie gibt es hier.

Das Wahlparadoxon von Anthony Downs

Die Frage nach dem Sinn oder Unsinn vom politischen Engagement des Einzelnen ist auch aber eine Frage nach dem Wert des eigenen Aufwands im Vergleich zur Wahrscheinlichkeit, dass man auf das Ergebnis überhaupt nennenswerten Einfluss nehmen kann.

Betrachten wir das Beispiel Bundestagswahlen. Man kann trivialerweise annehmen, dass einem Bürger durch die Teilnahme an der Wahl Kosten entstehen. Es sind dies: Informationskosten, Wegekosten, die Wahl selbst kostet (Steuer-)Geld und schließlich Opportunitätskosten, denn die Bürgerin könnte in dieser Zeit etwas anderes Wertvolles tun. Gleichzeitig bedeutet eine Wahl, eine Entscheidung unter Risiko, denn die Stimme der Bürgerin bestimmt i.d.R. nicht den Wahlausgang, sondern erhöht lediglich (geringfügig) die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Partei gewinnt. Nur in dem Fall, dass ihre Stimme den Wahlausgang entscheidet, ist sie überhaupt relevant. Diese Wahrscheinlichkeit geht nun gegen Null, wenn viele Bürger an der Wahl teilnehmen. Aus diesen Überlegungen schließt der gesunde Menschenverstand, dass es sich kaum bzw. nicht lohnt, zur Wahl zu gehen. In der Literatur wird dieses Phänomen das Wahl-Paradoxon genannt.

In der unten abgebildeten Formel – zuerst erschienen in "An Economic Theory of Democracy", 1957 – zeigt Anthony Downs, dass der erwartete Nettonutzen der Teilnahme an der Wahl negativ wird, da die Kosten die Einflusswahrscheinlichkeit der eigenen Stimme auf den Sieg immer übersteigen werden.




Die Formel lässt sich übrigens auch anders (vielleicht auch einfacher) darstellen (N=P*B-C), wurde aber hier von mir (aga) an unseren spezifischen Versuchsaufbau angepasst.

Anthony Downs löst das Problem, indem er aufzeigt, dass neben dem Nutzeneinkommen, der sich aus der Regierungstätigkeit der präferierten Partei ergibt, noch andere Nutzen existieren. Es ist v.a. der Nutzen der Wahl an sich, der aus dem System Demokratie resultiert. Der Beitrag jedes Einzelnen zum System Demokratie, ist eine Art Obolus, den die Bürger offensichtlich bereit sind zu zahlen. Dies erkläre die relativ hohe Wahlbeteiligung, obwohl jeder einen kaum wahrnehmbaren Einfluss ausübt.

Als weitere Gründe nennt Downs: den sozialen Druck, den Spaß an der Wahl und nicht zuletzt die These, dass die Wähler keine rein egoistischen Nutzenmaximierer sind. Die Wissbegierigen unter Euch suchen einfach nach Downs oder Wahl-Paradoxon, oder noch besser: fangen mit uns eine Diskussion im Forum an!


Die Logik des kollektiven Handelns von Mancur Olson

1965 veröffentlichte der damals 33-jährige US-amerikanische Ökonom Mancur Olson ein bemerkenswertes Buch mit dem Titel "The Logic of Collective Action" - die Logik des kollektiven Handelns. Darin stellte er die Theorie auf, dass kleinere Gruppen in Politik und Wirtschaft ihre Interessen in der Regel erfolgreicher durchsetzen als größere. Mit dieser Theorie stellte er die bis dahin vorherrschende Lehrmeinung zu Lobbies und Interessengruppen auf den Kopf, die vom Gegenteil ausgegangen war.

Olson begründete seine Theorie nicht nur mit zahlreichen Beispielen, sondern auch formal, d.h. mathematisch. Der liberale Ökonom Friedrich August von Hayek, der 1974 den Wirtschaftsnobelpreis bekam, pries das Werk als von "besonderer Bedeutung". Olson, schrieb von Hayek im Vorwort der deutschen Ausgabe von 1968, "zeigt darin, daß gewisse, fast allgemein als selbstverständlich angenommene Vorstellungen, die auf die verfolgte Politik den größten Einfluß gehabt haben, nicht nur unbegründet, sondern tatsächlich falsch sind."

Olson geht – kurz gefasst – zunächst davon aus, dass Individuen, die vor der Entscheidung stehen, zu einem Gruppeninteresse beizutragen, abwägen, in welchem Verhältnis ihr Einsatz für die Gruppe zu ihrem persönlichen Nutzen steht, sollte die Gruppe Erfolg haben und ihr Ziel erreichen. Je kleiner die Gruppe ist, desto lohnender wird es für den Einzelnen, sich für die Gruppe einzusetzen. "In einer kleinen Gruppe, in der der Anteil eines einzelnen Mitgliedes am Gesamtgewinn so groß ist, daß es eher die gesamten Kosten allein tragen würde als auf das Gut zu verzichten, spricht vieles dafür, daß das Kollektivgut bereitgestellt werden wird", schreibt Olson.

Daraus folgt umgekehrt, dass große Gruppen, wenn sie erfolgreich sein wollen, ihre Mitglieder durch Anreize oder auch durch Zwang dazu bewegen müssen, sich einzusetzen. Sie können nicht darauf vertrauen, dass sich ihre Mitglieder aus eigenem Antrieb in ausreichendem Maße einbringen. Dementsprechend erreichen große Organisationen wie Gewerkschaften ihre Ziele nur dann, wenn sie zum einen ihre Mitglieder über eine Jahresgebühr verpflichten, etwas beizutragen, und zum anderen Anreize zum gemeinsamen Handeln in Form von Streikgeld bieten.

Olson, der als Vertreter der Rational Choice Theory (Theorie der rationalen Entscheidung) gilt, kommt also zu einer paradox anmutenden Theorie: Rationale Akteure, die eigentlich den Nutzen gemeinsamer Handlungen klar erkennen können, handeln aus ihrer individuellen Rationalität heraus nicht automatisch im Interesse der Gruppe. Aus diesem Grund würden sich laut Olson zum Beispiel Arbeitslose nie so organisieren, dass sie politisch etwas für sich durchsetzen können – auch wenn sie, wie in den letzten Jahren, eine mehrere Millionen starke Gruppe sind. Damit kommt Olson zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Spieltheorie, die er zwar erwähnt, die der aber explizit vertritt.

Seine Erkenntnis ist natürlich recht ernüchternd für alle, die glauben, dass man gemeinsam die Welt verändern kann, wenn nur alle Beteiligten wissen, worum es geht und was man verändern will. Natürlich kann man sich nun fragen, ob Olsons Grundannahme richtig ist, dass alle in erster Linie rational und nicht nach anderen Gesichtspunkten handeln. Seine empirischen Beispiele von Gewerkschaften, Lobbies und Wirtschaftsverbänden und auch die späteren Analysen, in denen er die Theorie auf ganze Volkswirtschaften anwendet (z.B. in seinem Buch "Aufstieg und Niedergang der Nationen"), sind allerdings recht überzeugend.

Aus der linken Perspektive könnte man Olson voreilig als Liberalen abtun, erst recht, wenn er von nicht gerade unumstrittenen Figuren wie von Hayek Applaus bekommt und etwa die konservative Neue Zürcher Zeitung sein letztes Buch als "liberales Manifest ohne Werteschwulst" lobt. Man kann ihn aber auch etwas differenzierter betrachten:

"Olsons gesamtes Werk durchzieht die Sorge darum, dass Märkte durch kleine Interessengruppen vermachtet werden und dadurch die Verteilung ökonomischer und politischer Güter zu Lasten der Gemeinschaft gefördert wird. ... Seine Thesen nehmen die gegenwärtige Diskussion um Good Governance vorweg. Wurden in den 80er Jahren politische Faktoren bei der Erklärung von Entwicklungsblockaden vernachlässigt und der Mangel an Kapital überbewertet, so setzte mit dem Aufschwung der institutionenökonomischen Analyse in den 90ern auch eine Aufwertung politischer Variablen ein. Dass die US-amerikanische Entwicklungspolitik und die Weltbank-Berichte in den letzten Jahren die Bedeutung von Institutionen und "Good Governance" so stark hervorhoben, macht den Einfluss von Olson und dem von ihm geleiteten IRIS-Institut deutlich."

(Aus: Jörg Faust, "Mancur Olson (1932 - 1998): Warum sind manche Länder arm und andere reich? Die Rolle von Institutionen und Good Governance", http://www.inwent.org/E+Z/1997-2002/ez1002-7.ht)

Olson wurde zu Lebzeiten immer wieder als Kandidat für den Wirtschaftsnobelpreis gehandelt. Er starb jedoch 1998, ohne den Preis bekommen zu haben.

Für alle, die es noch etwas genauer wissen wollen, haben wir einige Auszüge aus Olsons Buch zusammengestellt.


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